Herzrasen, Zittern und Atemnot?

Effektive Therapien gegen die Angst vorm Zahnarzt

Theoretisch sind das Selbstverständlichkeiten: Regelmäßige Kontrollbesuche beim Zahnarzt machen Sinn. Treten Zahnschmerzen auf, sollte so schnell wie möglich ein Zahnarzt aufgesucht werden. Karies oder Zahnfleischerkrankungen heilen nun mal nicht von selbst. Aber was tun, wenn in der Praxis oder bereits bei dem Gedanken an einen Zahnarztbesuch Zittern, Herzrasen, Atemnot, Schwitzen, Durchfall oder Übelkeit auftreten? Ungefähr fünf von 100 Menschen haben so große Angst vorm Zahnarzt, dass sie den Besuch auch bei größten Schmerzen völlig vermeiden. Die Folgen sind fatal: Die Zahn- und Mundgesundheit verschlechtert sich kontinuierlich. 
Das hat häufig Auswirkungen auf den allgemeinen Gesundheitszustand und kann zu sozialer Ausgrenzung führen. Wenn überhaupt, ist es solchen Menschen nur in Vollnarkose möglich, eine Zahnbehandlung über sich ergehen zu lassen. Wer so starke Angst verspürt, leidet an einer Zahnbehandlungsphobie.

Was sind spezifische Phobien?

Die Zahnbehandlungsphobie gehört zu den sogenannten spezifischen Phobien. Andere Menschen geraten beim Anblick von Spinnen in Panik, bekommen beim Gedanken an eine Bergtour feuchte Hände oder können fensterlose Räume nicht betreten. Arachnophobie (Spinnen), Akrophobie (Höhen) oder Klaustrophobie (Geschlossene Räume) gehören ebenfalls zu den spezifischen Phobien. Ihnen gemeinsam ist, dass die Betroffenen angesichts einer Situation, die objektiv völlig ungefährlich ist, an für Außenstehende nicht nachvollziehbaren Ängsten leiden. Sie reagieren nicht nur im konkreten Fall, sondern schon beim Gedanken an eine solche Situation mit körperlichen Symptomen und interpretieren diese häufig auch als lebensbedrohend. Wer so sehr leidet, hat in der Regel keine Möglichkeit, die Angst aus eigener Kraft zu besiegen. Ungefähr acht von 100 Personen erkranken im Laufe ihres Lebens an einer spezifischen Phobie. Am häufigsten sind Frauen betroffen.

Die Angst an der Wurzel packen

Zwar kann man im Falle einer Zahnbehandlungsphobie die Angstsymptome mittels Vollnarkose oder Hypnose vorübergehend ausschalten. Nachhaltig geheilt sind Angstpatienten nach einer solchen Behandlung jedoch nicht. Hier empfehlen Experten, sich in die Behandlung eines Psychotherapeuten zu begeben, der idealerweise eng mit einem Zahnarzt zusammenarbeitet. Die Psychotherapie bietet verschiedene Möglichkeiten, den Ursachen der Phobie auf den Grund zu gehen und den Umgang mit der Angst erträglich zu machen.
Das Therapiezentrum Zahnbehandlungsangst in Bochum zum Beispiel hat in Kooperation mit dem Fachbereich Klinische Psychologie und Psychotherapie der Bergischen Universität Wuppertal und der Psychologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum eine Therapieform entwickelt, die Patienten in drei Sitzungen zu je 90 Minuten sukzessive auf den Zahnarztbesuch vorbereitet. Nach Erfahrung von Diplom-Psychologe André Wannemüller kann bei den meisten dieser Patienten die Angst durch die Therapiesitzungen vermindert oder sogar ganz abgebaut werden, so dass anschließend mit einer Zahnbehandlung begonnen werden kann.
Psychotherapeuten kombinieren in der Behandlung von Angstpatienten in der Regel verschiedene Therapieansätze:
Bei der Konfrontationstherapie besprechen die Therapeuten mit ihren Patienten zunächst die angstauslösenden Reize und die darauf folgenden Verhaltensmuster. Dann wagen die Angstpatienten in Begleitung des Therapeuten den Gang zum Zahnarzt.
Die Systematische Desensibilisierung setzt auf ein schrittweises Heranführen an die Angstsituationen im Patient-Therapeuten-Gespräch. Mit Hilfe spezieller Entspannungstechniken lernen die Patienten anhand einer „Hitliste der Angstsituationen“ zunächst die etwas harmloseren Angstauslöser – zum Beispiel die Situation einer Terminvereinbarung – in ihrer Vorstellung ohne Panik zu durchleben. Die Angstreize werden dann immer weiter gesteigert, bis die Patienten in der Lage sind, sich auch extreme Situationen, wie zum Beispiel das Ziehen eines Zahns, kontrolliert und entspannt vorzustellen. Können Patienten auch die größten Angstreize in Gedanken bewältigen, setzt sich die Behandlung in realen Situationen fort. Nach und nach konfrontiert der Therapeut den Patienten mit den unangenehmen Situationen im „wirklichen“ Leben: In der ersten Sitzung betreten die Patienten beispielsweise „nur“ die Praxis. Erst bei der zweiten Sitzung lassen sie sich im Behandlungsstuhl nieder und beim dritten Termin öffnen sie den Mund, um sich vom Zahnarzt untersuchen zu lassen.

Ob und wie schnell sich Angstpatienten nach einer solchen Therapie ohne Panikattacken einer Zahnbehandlung unterziehen können, ist individuell sehr unterschiedlich – die Erfolgsquote liegt bei etwa 70 Prozent aller Betroffenen.

Textquelle: Initiative proDente