Urteil bestätigt Aufklärungspflicht des Zahnarztes über seltene Risiken

Vor der Leitungsanästhesie muss der Zahnarzt seinen Patienten über das Risiko der Schädigung des nervus ligualis aufklären.

Dies hat das Oberlandesgericht Koblenz mit Entscheidung vom 13.05.2004 (Az: 5 U 41/03) klar gestellt. 

Logo Spitta VerlagIn dem konkreten Fall wollte der Zahnarzt bei dem Patienten einen Backenzahn erneuern. In Vorbereitung auf den Eingriff wurde dem Patienten ein Betäubungsmittel gespritzt, ohne dass eine Aufklärung über die Risiken einer Leitungsanästhesie vorgenommen wurde. Beim Einstich und der anschließenden Applikation des Betäubungsmittels kam es zu einer Beeinträchtigung des nervus ligualis. In der Folgezeit stellten sich beim Patienten persistierende Beschwerden und Ausfälle im Bereich der Injektionsstelle und der rechten Zungenhälfte ein. Die durch den Einstich mit der Spritze erfolgte Schädigung des nervus lingualis war dauerhaft. Der Patient erhob daraufhin Klage auf Schmerzensgeld mit der Begründung, dass er bei Aufklärung über dieses Risiko seine Einwilligung in die Injektion verweigert hätte. 
Das Oberlandesgericht Koblenz entschied, dass der Zahnarzt, auch wenn das Risiko einer dauerhaften Schädigung des Zungennervs beim Spritzen von Betäubungsmitteln in die Mundhöhle sehr gering sei, den Patienten vor der Behandlung hierüber aufklären müsse. Zwar müsse nach Auffassung des Senats über extrem seltene Risiken, die zudem nicht zu einer dauerhaften Schädigung des Patienten führen können, nicht aufgeklärt werden. Sind jedoch Dauerschäden zu besorgen, kann es im Rahmen der stets erforderlichen Grundaufklärung auch geboten sein, den Patienten über sehr seltene Risiken zu informieren. Dies sei dann erforderlich, wenn sie bei ihrer Verwirklichung die Lebensführung schwer belasten und trotz ihrer Seltenheit für den Eingriff spezifisch und für den Laien überraschend seien. Entscheidend für die ärztliche Hinweispflicht sei damit nicht ein bestimmter Grad der Risikodichte, insbesondere nicht eine bestimmte Statistik, sondern vielmehr, ob das betreffende Risiko dem Eingriff spezifisch anhaftete und bei seiner Verwirklichung die Lebensführung des Patienten besonders belaste.

Da eine Schädigung oder gar Durchtrennung des nervus lingualis je nach Alter, Beruf und sozialer Stellung des Patienten die Lebensführung erheblich beeinträchtigen könne, hielt das Oberlandesgericht eine Aufklärung über dieses äußerst seltene, jedoch schwerwiegende Risiko für unerlässlich und verurteilte den Zahnarzt zu einer Schmerzensgeldzahlung in Höhe von 6.000 Euro.

Fazit: Nehmen Sie das Thema Aufklärung ernst. 

Eine Information der Medizinanwälte BLP 

Text Quelle: Spitta Verlag – Das Wissensportal für Zahnheilkunde, Honorarabrechnungen, zahnmedizinische Fachgebiete, Prxisorganisation und Zahntechnik.

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