Mit einer bundesweiten Aufklärungskampagne macht der Deutsche Zahnärzte Verband (DZV e.V.) Front gegen die „Selektivverträge“ einiger Krankenkassen.
In den Wartezimmern der Zahnarztpraxen informiert seit dem 22. Februar eine Vielzahl von Flyern und Postern die Patienten über Brisanz und Hintergründe dieser Verträge: Zahnersatz zum Nulltarif aus Billiglohnländern, Preisdumping, Einschränkung der freien Arztwahl, gezielte Steuerung von Patienten. Die Kampagne findet breite Zustimmung. Zahlreiche Kassenzahnärztliche Vereinigungen, Verbände, regionale Initiativen und Innungen unterstützen diese Aktion bzw. haben sich bereits angeschlossen.
„Nulltarifangebote werden von einigen Kassen im Zusammenspiel mit Handels- und Managementgesellschaften aggressiv beworben, um Kunden zu gewinnen“, erklärt DZV-Vorsitzender Martin Hendges. „Es wird höchste Zeit, die Hintergründe aufzudecken. Solche Selektivverträge sind schleichendes Gift für unser Gesundheitssystem“. Obwohl erst einige hundert von insgesamt 55.000 praktizierenden Zahnärzten unterzeichnet haben, ist für den DZV das Maß voll.
Nach Vorträgen quer durch die Republik, Gesprächen mit Versicherern und Politikern und zahlreichen juristischen Maßnahmen stößt die selbstbewusste Kampagne jetzt branchenweit auf hohe Zustimmung. „Wir haben eine Lawine losgetreten“, freut sich Dr. Torsten Sorg, Zahnarzt und Vorstandsmitglied im DZV.
Selektivverträge verpflichten Zahnärzte u.a., ihren Patienten Nulltarif-Zahnersatz aus Billiglohnländern in Fernost anzubieten. Die Organisation läuft über Managementgesellschaften, die den Gesundheitsmarkt als Geschäftsfeld entdeckt haben und zu seinen großen Profiteuren gehören. Der DZV befürchtet gravierende Folgen für die zahnmedizinische Versorgung der Patienten:
„Unsere Patienten werden massiv verunsichert und nicht neutral über die Inhalte solcher Selektivverträge informiert. Vielmehr wirbt man mit vordergründigen und plakativen Versprechen wie Nulltarif, Dumpingpreisen für Professionelle Zahnreinigung und Implantatversorgungen, ohne die Bedingungen und Pflichten für Patienten klar zu benennen. So wird das so enorm wichtige Arzt-Patienten-Verhältnis erheblich belastet, weil Patienten für gewisse Leistungen in andere Praxen gelotst werden. Bezüglich der weltweit anerkannten Qualität von Zahnersatz aus Deutschland wird auch vollkommen vergessen, dass ein wesentlicher Garant dafür die intensive Zusammenarbeit vom Zahnarzt und dem Zahntechniker vor Ort ist“, weiß Hendges, der selbst eine Praxis betreibt. „Das geht nicht mit einem anonymen Labor in China.“ Auch die Zahntechniker-Innungen schlagen Alarm: Es sei skandalös, dass Krankenkassen wie die DAK für Jobs in China oder anderen Billiglohnländern sorgten und Management- und Handelsgesellschaften dort ihre Gewinne generierten, während hoch qualifizierte Arbeitsplätze im deutschen Handwerk gefährdet würden.
Einschneidend sind die Konsequenzen aber auch für Patienten. Mit der Unterschrift auf der Teilnahmeerklärung zum Nulltarifangebot, das übrigens nur für die Regelversorgung und nur bei Nachweis von lückenloser 10-jähriger Vorsorgeuntersuchung gilt, verzichtet der Patient auf das Recht, den Zahnarzt seines Vertrauens frei zu wählen. Er muss sich bei einem „Selektivzahnarzt“ des Versicherers behandeln lassen – ein Verfahren, das in weiten Kreisen der Branche als „Patientensteuerung“ geächtet wird. Sollte der Patient sich übrigens statt für Auslandszahnersatz für eine andere Versorgung bzw. ein anderes Zahntechniklabor entscheiden (Therapiefreiheit), muss sein „vertragswidriges“ Verhalten vom Zahnarzt an die Managementgesellschaft gemeldet werden.
„Therapiefreiheit, freie Arztwahl und freie Entscheidung, welches Labor den Zahnersatz herstellen soll, werden geopfert“, stellt Hendges fest. „Hier müssten auch bei der Regierung die Alarmglocken schrillen.“ Wird doch im schwarz-gelben Koalitionsvertrag die freie Arztwahl als Ausdruck eines freiheitlichen Gesundheitswesens und Basis für das notwendige Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient gewürdigt.
Für die Kollegen in Weiß führten fremdgesteuerte Selektivverträge in die Domestizierung und zum Verlust der Solidarität, sind die Initiatoren der Kampagne überzeugt. Sie analysierten Verträge zwischen Kassen und Managementgesellschaften und stellten fest: Stand anfangs noch die Vermittlung von Auslandszahnersatz im Vordergrund, folgte schon bald die Behandlung zu vorgeschriebenen Niedrigpreisen – ungeachtet der individuellen Gesundheitssituation des Patienten. „Exzessives Preisdumping führt unsere hochwertige Zahnmedizin ad absurdum und zieht Kollegen in einen ruinösen Unterbietungswettbewerb“, konstatiert Martin Hendges. „Die Patientenbeschaffung auf Kosten von Kollegen ist schlicht unmoralisch.“
So kämpferisch die DZV-Kampagne gegen Selektivverträge vorgeht, so konstruktiv sind ihre Perspektiven. „Unser Ziel ist eine hundertprozentig qualitätvolle Behandlung, im Zusammenspiel mit den Zahntechnikern und ohne Einmischung von Krankenkassen und fachfremden Handels- bzw. Managementgesellschaften. Echtes Vertrauen zwischen Arzt und Patienten und traditionelle Solidarität in der Zahnärzteschaft sind uns ebenso wichtig wie mutiges Engagement gegenüber falschen Entwicklungen.“
Bild- und Textquelle: Deutscher Zahnärzte Verband e.V.